1. Unterliegt ein Bezieher von Grundleistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG aufgrund einer früheren sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung der obligatorischen Anschlussversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung und Pflegeversicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V und kann er nicht nach § 188 Abs. 4 Satz 2 SGB V aus dieser Versicherung austreten, sind die monatlichen Beiträge zur obligatorischen Anschlussversicherung im Rahmen der Berechnung der Asylbewerberleistungen gesondert als Bedarf zu berücksichtigen, da sie nicht bereits von §§ 3, 3a AsylbLG erfasst sind.
2. Die Berücksichtigung der Beiträge erfolgt bei Leistungsbeziehern nach dem AsylbLG, bei denen Erwerbseinkommen nach § 7 Abs. 3 AsylbLG auf den Bedarf angerechnet wird, in der Form, dass die Beiträge vom anzurechnenden Erwerbseinkommen abgesetzt werden. Reicht das anzurechnende Erwerbseinkommen dafür nicht aus oder erzielt der Leistungsbezieher gar kein anrechenbares Erwerbseinkommen, sind die Beiträge (bzw. deren ungedeckter Teil) durch ergänzende Geldleistungen nach § 6 AsylbLG zu decken. Hierbei handelt es sich wegen der Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes auch bei fehlender Beitragsentrichtung nach § 16 Abs. 3a Satz 3, Satz 5 SGB V nicht um Leistungen zur Sicherung der Gesundheit, sondern um Leistungen, die zur Sicherung des Lebensunterhalts unerlässlich sind.
3. Trotz des Fehlens einer entsprechenden Parallelvorschrift zu § 26 SGB II bzw. §§ 32, 32a SGB XII im Recht der Asylbewerberleistungen ist es Beziehern von Asylbewerberleistungen ebenso wenig zuzumuten wie Leistungsbeziehern nach dem SGB II oder SGB XII, Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Kranken- oder Pflegeversicherung als Schulden auflaufen zu lassen oder aber diese Beiträge – unter Unterschreitung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums – durch Zweckentfremdung der Grundleistungen zu begleichen.
4. Das dem Leistungsträger grundsätzlich nach § 6 AsylbLG eingeräumte Ermessen bei der Erbringung von ergänzenden Leistungen ist in der Regel zumindest dann „auf Null“ reduziert, wenn dem Leistungsbezieher eine dauerhafte Bleibeperspektive offensteht bzw. das Ende seines Aufenthalts in der Bundesrepublik nicht bevorsteht oder abzusehen ist.
Nicht rechtskräftig, Berufung anhängig beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Az. L 7 AY 1616/25
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1. Der Bescheid des Beklagten vom 3.6.2024 in Gestalt des Teilabhilfebescheids vom 22.8.2024 sowie des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2024 wird abgeändert. 2. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 1.6. – 30.11.2024 zusätzlich zu den Grundleistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG zur Bestreitung seiner Beiträge für die obligatorische Anschlussversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung (232,13 €/Monat) weitere Leistungen in der Höhe zu gewähren, in der sie das jeweils anzurechnende Einkommen aus Erwerbstätigkeit nach Abzug des Freibetrags nach § 7 Abs. 3 AsylbLG sowie der Arbeitsmittelpauschale von 5,20 € übersteigen. 3. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach. 4. Die Berufung wird zugelassen.
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Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung höherer laufender Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) an den Kläger im Zeitraum 1.6. – 30.11.2024.
Der am … geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er ist verheiratet; seine Ehefrau lebt in Syrien. Er reiste am 1.12.2022 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 12.1.2023 einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Der Kläger erhielt eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens nach § 55 Aufenthaltsgesetz und wurde dem Landkreis … zur vorläufigen Unterbringung zugewiesen. Seit dem 1.1.2023 bezog er Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG. Leistungen bei Krankheit erhielt er nach § 4 AsylbLG.
Ab dem 25.4.2023 war er sozialversicherungspflichtig beschäftigt bei der Firma X GmbH mit Sitz in …. Die Leistungen nach dem AsylbLG wurden daher zunächst zum 31.5.2023 eingestellt. Aufgrund dieses Beschäftigungsverhältnisses war der Kläger pflichtversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Am 20.9.2023 kam es zur einverständlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der X GmbH. Ab dem 1.10.2023 bezog der Kläger wieder Leistungen nach dem AsylbLG (Grundleistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG) und absolvierte einen Deutschkurs.
Durch Bescheid vom 26.3.2024 entschied die Krankenkasse des Klägers, die …, gleichzeitig auch im Namen der Pflegekasse …, dass der Kläger aufgrund der Beschäftigung bei der X GmbH im Wege der obligatorischen Anschlussversicherung nach § 188 Abs. 4 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) seit dem Ende dieser Beschäftigung einen Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung sowie zur Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt monatlich 232,13 € zu entrichten habe.
Der Kläger beantragte daher mit Schreiben vom 7.5.2024 beim Beklagten die Berücksichtigung dieser Kosten bei der Berechnung der Leistungen nach dem AsylbLG.
Seit dem 1.5.2024 geht der Kläger ergänzend zum Bezug von Asylbewerberleistungen einer geringfügigen Beschäftigung bei der Firma Y GmbH nach, aus der er ein monatlich schwankendes Einkommen erzielt. Er bewohnt eine Privatwohnung, für die er im Jahr 2024 monatlich 200,00 € Kaltmiete und 30,00 € Nebenkosten zu entrichten hatte.
Durch Bescheid vom 3.6.2024 bewilligte der Beklagte die laufenden Leistungen nach dem AsylbLG ab dem 1.6.2024 in Höhe von monatlich 539,20 €. Die Bewilligung für die Folgemonate erfolge durch die Auszahlung der Leistungen. Die Leistungen errechneten sich aus dem Bedarf von 230,00 € Kosten der Unterkunft und Heizung (200,00 € Kaltmiete und 30,00 € Nebenkosten) sowie von 204,00 € Leistungen nach §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 3a Abs. 2 AsylbLG und 256,00 € Leistungen nach §§ 3 Abs. 1 Satz 2, 3a Abs. 1 AsylbLG (Gesamtbedarf 690,00 €) abzüglich des Einkommens von 208,00 € aus der geringfügigen Beschäftigung beim der Y GmbH, das in Höhe von 150,80 € auf den Bedarf angerechnet wurde (nach Abzug von 52,00 € Freibetrag nach § 7 Abs. 3 AsylbLG sowie 5,20 € Arbeitsmittelpauschale). Den Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung und Pflegeversicherung berücksichtigte der Beklagte gar nicht.
Durch Änderungsbescheid vom 27.6.2024 ab dem 1.7.2024 und Änderungsbescheid vom 29.7.2024 ab dem 1.8.2024 passte der Beklagte die Leistungshöhe jeweils im Hinblick auf die Höhe des anzurechnenden Einkommens an. Für Juli 2024 ergab sich lediglich ein anzurechnendes Einkommen von 121,55 € (169,00 € Erwerbseinkommen abzüglich 42,25 € Freibetrag nach § 7 Abs. 3 AsylbLG und 5,20 € Arbeitsmittelpauschale). Im August 2024 erzielte der Kläger gar kein Einkommen. Der Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung und Pflegeversicherung wurde weiterhin nicht berücksichtigt.
Am 2.7.2024 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 3.6.2024 ein. Seine Pflichtbeiträger zur Kranken- und Pflegeversicherung müssten bei der Leistungsberechnung Berücksichtigung finden, entweder auf Bedarfsseite oder zumindest als Absetzungsbetrag vom Einkommen nach § 7 Abs. 3 AsylbLG.
Durch Teilabhilfebescheid vom 22.8.2024 trug der Beklagte dem Widerspruch insoweit Rechnung, als er nach § 7 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 AsylbLG in die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung vom Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung absetzte. Da die Beiträge das anzurechnende Einkommen überstiegen, kam es im Ergebnis zu gar keiner Einkommensanrechnung; das anzurechnende Einkommen reichte aber auch nicht aus, um die Versicherungsbeiträge vollständig abzudecken.
Im Übrigen, d. h. hinsichtlich der Übernahme der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, soweit diese das anzurechnende Einkommen überstiegen, wies der Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 25.11.2024 als unbegründet zurück. Der Kläger könne aufgrund der bestehenden gesetzlichen Krankenversicherungspflicht keine Leistungen nach § 4 AsylbLG mehr erhalten. Die Berücksichtigung der Versicherungsbeiträge als Bedarf sei – über die Absetzung vom Erwerbseinkommen nach § 7 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 AsylbLG hinaus – aber ebenfalls nicht möglich. Insbesondere fielen diese nicht unter § 6 AsylbLG, da ihre Deckung nicht für die Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich sei. Insbesondere habe der Kläger keinen Anspruch auf die Aufrechterhaltung eines weitergehenden Krankenversicherungsschutzes, als anderen Beziehern von Asylbewerberleistungen nach § 4 AsylbLG gewährt würde.
Seit dem 1.12.2024 bezieht der Kläger aufgrund der Zuerkennung subsidiären Schutzes und der damit verbundenen Änderung seines Aufenthaltsstatus keine Leistungen nach dem AsylbLG vom Beklagten mehr, sondern Bürgergeld nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Am 6.12.2024 hat der Kläger die vorliegende Klage beim Sozialgericht Freiburg erhoben. Für den Kläger wird vorgetragen, Leistungen des Beklagten nach § 4 AsylbLG stellten keine „anderweitige Absicherung im Krankheitsfall“ im Sinne des § 188 Abs. 4 Satz 2 SGB V dar, so dass die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung auch durch den Wiedereintritt des Klägers in den Leistungsbezug nach dem AsylbLG nicht entfallen sei (BSG, Urteil vom 10.3.2022, Az. B 1 KR 30/20 R). Er könne sich daher von den laufend geschuldeten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen nicht befreien. Ihre Absetzung vom Erwerbseinkommen reiche aber nicht aus, um sie bestreiten zu können, da die Beiträge höher seien als das anzurechnende Erwerbseinkommen und selbst als das tatsächliche Erwerbseinkommen. Es verbleibe daher weiterhin ein ungedeckter Bedarf. Der Kläger sei dem Dilemma ausgesetzt, den Fehlbetrag entweder aus den laufenden Asylbewerberleistungen aufbringen, was zu einer Unterschreitung seines Existenzminimums führe, oder erhebliche Schulden auflaufen zu lassen. Außerdem drohe das Ruhen des vollen Krankenversicherungsschutzes bis zur Begleichung der Rückstände. Der Anspruch gegen den Beklagten auf weitere Leistungen zur Bestreitung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ergebe sich aus § 6 AsylbLG. Das dem Leistungsträger im Rahmen des § 6 AsylbLG eingeräumte Ermessen sei auf Null reduziert. Bei Leistungsbeziehern nach dem SGB II bzw. SGB XII gehörten Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zum Existenzminimum (BSG, Urteil vom 15.11.2012, Az. B 8 SO 3/11 R). Dies könne im AsylbLG nicht anders sein.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 3.6.2024 in Fassung des Teilabhilfebescheids vom 22.8.2024 und in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2024 dahingehend abzuändern, dass der Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag des Klägers, soweit nicht bereits eine Absetzung vom Erwerbseinkommen des Klägers erfolgte, als Bedarf berücksichtigt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt er die Begründung des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2024. Im Krankheitsfall sei der Kläger während des streitbefangenen Zeitraums auf die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu verweisen gewesen. Diese seien sogar weitergehend als die Leistungen nach § 4 AsylbLG, die daneben nicht in Betracht kämen. Allerdings habe der Kläger während des Bezugs von Asylbewerberleistungen auch keinen Anspruch auf einen weitergehenden Krankenversicherungsschutz, als § 4 AsylbLG vorsehe. Zusätzliche Leistungen nach § 6 AsylbLG seien daher ausgeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte des Beklagten (Stand 3.1.2025), die das Gericht zum Verfahren beigezogen hat, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht kann nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht erhoben und als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft nach § 54 Abs. 4 SGG.
Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat Anspruch auf höhere laufende Leistungen nach dem AsylbLG, als ihm der Beklagte mit Bescheid vom 3.6.2024 in Gestalt des Teilabhilfebescheids vom 22.8.2024 und des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2024 bewilligt hat. Die mit der Klage angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Sie waren daher abzuändern.
Streitgegenstand ist zunächst der Bescheid vom 3.6.2024 über Leistungen ab dem 1.6.2024. Streitgegenstand sind ebenfalls die Änderungsbescheide vom 27.6.2024 ab dem 1.7.2024 und vom 29.7.2024 ab dem 1.8.2024 sowie der Teilabhilfebescheid vom 22.8.2024, jeweils nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG), und schließlich der Widerspruchsbescheid vom 25.11.2024. Insbesondere handelte es sich bei dem Bescheid vom 3.6.2024 um einen Dauerverwaltungsakt, der die Leistungen ab dem 1.6.2024 bis auf weiteres bewilligte, nicht lediglich für einen einzelnen Monat. Zwar enthielt der Bescheid vom 3.6.2024 den Passus, dass die Bewilligung der Leistungen für die Folgemonate „durch Auszahlung“ erfolgen solle, also konkludent. Gleichwohl hat der Beklagte die Bewilligung vom 3.6.2024 in der Folge wie einen Dauerverwaltungsakt gehandhabt. Insbesondere hat er ausdrücklich für die Folgezeit ab dem 1.7.2024 bzw. 1.8.2024 am 27.6.2024 bzw. am 29.7.2024 jeweils den Bescheid vom 3.6.2024 ausdrücklich aufgehoben und Änderungsbescheide erlassen, nicht erstmalige Neubewilligungen vorgenommen. Diese Bescheide fallen daher ebenso wie der Teilabhilfebescheid vom 22.8.2024 unter § 86 SGG. Streitbefangener Leistungszeitraum war im Widerspruchsverfahren noch ein in die Zukunft offener Zeitraum ab dem 1.6.2024. Da der Kläger zum 30.11.2024 aus dem Leistungsbezug nach dem AsylbLG ausgeschieden ist, hat er allerdings sein Klagebegehren auf höhere Leistungen bis zu diesem Datum beschränkt, so dass hier nur noch über den abgeschlossenen Leistungszeitraum vom 1.6. – 30.11.2024 zu entscheiden ist.
Im hier streitbefangenen Zeitraum vom 1.6. – 30.11.2024 hat der Kläger in der Tat Anspruch auf höhere Leistungen nach dem AsylbLG, nämlich in der Höhe, in der die von ihm zu entrichtenden Beiträge zur obligatorischen Anschlussversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung (monatlich 232,13 €) das jeweils auf die Leistungen nach dem AsylbLG anzurechnenden Erwerbseinkommen (nach Abzug des Freibetrags nach § 7 Abs. 3 AsylbLG und der Arbeitsmittelpauschale von 5,20 €) übersteigen.
Der Kläger war im streitbefangenen Zeitraum grundsätzlich leistungsberechtigter Ausländer im Sinne des Asylbewerberleistungsgesetzes; seine Leistungsberechtigung folgte aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG. Die ihm zustehenden Leistungen waren nach § 3a Abs. 1 und Abs. 2, § 6 und § 7 AsylbLG zu berechnen.
Anspruchsgrundlage für den hier geltend gemachten Bedarf ist § 6 AsylbLG, denn Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge fallen nicht unter die Grundleistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG und auch nicht unter § 4 AsylbLG. Die Grundleistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG erfassen nach § 3 Abs. 1 AsylbLG Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts (notwendiger Bedarf, Satz 1) sowie Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens gewährt (notwendiger persönlicher Bedarf, Satz 2). Hierzu gehören Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht. Insbesondere stellen sie keine Leistungen zur Gesundheitspflege dar, denn unter diese Fallen nur Sachgüter, die rezeptfrei erhältlich sind, wie Fieberthermometer, Verbandsmaterial etc. (Frerichs in: Schlegel/Voelzke, juris PraxisKommentar SGB XII, 4. Aufl., Stand: 08.04.2025, § 3 AsylbLG Rn. 100). Im Wege des § 4 AsylbLG werden Leistungen bei Krankheit ebenfalls nicht in Form der Übernahme von Versicherungsbeiträgen gewährt, sondern im Wege der Sachleistung, wobei die Leistungen nach § 264 SGB V durch die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung gegen Kostenerstattung durch den Leistungsträger nach dem AsylbLG übernommen werden.
Nach § 6 AsylbLG kann der Leistungsträger allerdings sonstige Leistungen erbringen, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich sind (§ 6 Abs. 1 1. Alternative). Nach Satz 2 der Vorschrift sind Leistungen als Sachleistungen, bei Vorliegen besonderer Umstände als Geldleistung zu gewähren.
Nach Überzeugung des Gerichts handelt es sich bei der vollständigen Abdeckung der vom Kläger geschuldeten Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung durch Leistungen des Beklagten um Leistungen, die im Einzelfall zwar nicht zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich sind, wohl aber zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Zunächst ist festzuhalten, dass der Kläger – unstreitig - im Wege der obligatorischen Anschlussversicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V auch seit seinem Ausscheiden aus dem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bei der X GmbH weiterhin gesetzlich krankenversichert ist. Insbesondere hat er nicht nach § 188 Abs. 4 Satz 2 SGB V innerhalb der Frist von zwei Wochen seinen Austritt erklärt; ein etwaiger Austritt wäre auch nicht wirksam gewesen, weil keine „anderweitige Absicherung im Krankheitsfall“ im Sinne des § 188 Abs. 4 Satz 2 SGB V vorlag. Der Wiedereintritt in den Leistungsbezug nach dem AsylbLG, der grundsätzlich den Zugang zu Leistungen bei Krankheit nach § 4 AsylbLG eröffnete, reichte dafür nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 10.3.2022, Az. B 1 KR 30/20 R – juris). Damit schuldete der Kläger die mit Bescheid der … vom 26.3.2024 erstmals angeforderten monatlichen Beiträge in Höhe von in Summe 232,13 €, ohne dass er sich von ihnen befreien konnte.
Die Begleichung der Beiträge ist allerdings nicht Voraussetzung für die Aufrechterhaltung des Krankenversicherungsschutzes. Wäre der Kläger mit in Summe zwei Monatsbeiträgen in Rückstand geraten, hätte der Versicherungsschutz nicht geendet. Es wäre lediglich nach § 16 Abs. 3a Satz 3 SGB V ein Ruhen des Leistungsanspruchs mit Ausnahme der Akutversorgung eingetreten. Hätte Hilfebedürftigkeit im Sinne der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II bzw. der Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung im Sinne des SGB XII bestanden, wäre das Ruhen allerdings trotz Beitragsrückständen nicht eingetreten (§ 16 Abs. 3a Satz 5 SGB V). Der Kläger hatte also nicht zu befürchten, dass aufgrund der fehlenden Beitragsentrichtung sein Krankenversicherungsschutz grundsätzlich gefährdet wäre. Soweit Ruhen des Leistungsanspruchs nach § 16 Abs. 3a Satz 3 SGB V eingetreten wäre, hätte er weiterhin Anspruch zumindest auf die Akutversorgung gehabt, was dem Leistungsniveau der Hilfe bei Krankheit nach § 4 AsylbLG entsprochen hätte. Bei Nachweis der Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II/XII, die hier angesichts des Bezugs der im Vergleich zu SGB II und SGB XII noch geringeren Grundleistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG vorlag, wäre nicht einmal das Ruhen und die Reduzierung der Leistungen auf die Akutversorgung eingetreten. Daher konnte es sich bei den geschuldeten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge nicht um Aufwendungen handeln, die zur Aufrechterhaltung angemessenen Krankenversicherungsschutzes und damit zur Sicherung der Gesundheit des Klägers unerlässlich waren.
Sie gehörten aber zu den Aufwendungen, die im Einzelfall für die Sicherung des Lebensunterhalts unerlässlich waren.
Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei der Situation des Klägers um einen Einzelfall, also eine atypische Bedarfslage, handelt. Die Versorgung von Beziehern von Asylbewerberleistungen im Krankheitsfall erfolgt in der Regel nach § 4 AsylbLG. Nur wenige Bezieher von Asylbewerberleistungen dürften bereits in der Phase des Bezugs von Grundleistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG wie der Kläger im Wege der obligatorischen Anschlussversicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V pflichtversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung sein. Derartige Beiträge haben daher keinen Eingang in die Kalkulation der Höhe der Grundleistungen nach § 3a AsylbLG gefunden.
Anders als vom Beklagten vorgetragen ist die Bedarfsdeckung auch unerlässlich. Unerlässlich ist, worauf der Betroffene nicht verzichten kann, ohne dass er empfindliche Einschränkungen seines auch verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums oder andere, ebenso empfindliche Nachteile hinnehmen müsste. Kriterien hierfür sind etwa die Grundrechtsrelevanz des Bedarfs, das Ausmaß und die Intensität der Beeinträchtigung, die Aufenthaltsdauer sowie Aufenthaltsperspektive des Betroffenen (Frerichs in: Schlegel/Voelzke, juris PraxisKommentar SGB XII, 4. Aufl., Stand: 08.04.2025, § 6 AsylbLG Rn. 39 m. w. N.). Unter sämtlichen dieser Aspekte ergibt sich im vorliegenden Fall die Unerlässlichkeit der Bedarfsdeckung.
Zunächst steht fest, dass der Kläger sich nicht von den Versicherungsbeiträgen befreien. Insbesondere bestand keine rechtliche Möglichkeit für ihn, sich von der Versicherungspflicht insgesamt zu befreien oder seine Beiträge der Höhe nach zu senken. Dem Kläger standen auch keine ausreichenden Mittel außerhalb der Leistungen nach dem AsylbLG zur Verfügung, um seiner Zahlungspflicht nachzukommen. Nach der Wertung des § 7 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 AsylbLG ist bei gleichzeitiger Erwerbsarbeit neben dem Leistungsbezug nach dem AsylbLG vorrangig das Erwerbseinkommen hierfür einzusetzen. Im Falle des Klägers überschritten die Versicherungsbeiträge der Höhe nach das Einkommen aus seiner geringfügigen Beschäftigung bei der Y GmbH in fast jedem streitbefangenen Monat. Ausweislich der in der Verwaltungsakte des Beklagten enthaltenen Gehaltsabrechnungen erzielte der Kläger aus dieser Tätigkeit im Juni 2024 208,00 €, im Juli 2024 169,00 €, im August 2024 0,00 €, im September 2024 117,00 €, im Oktober 2024 325,00 € und im November 2024 273,00 €. Damit überstiegen die Versicherungsbeiträge selbst das tatsächliche Einkommen, also noch vor dem Abzug von Freibetrag nach § 7 Abs. 3 AsylbLG und Arbeitsmittelpauschale, in den Monaten Juni – September 2024; im November 2024 überstiegen sie das Einkommen zumindest nach Abzug von Freibetrag und Arbeitsmittelpauschale; im Oktober 2024 zehrten sie das anzurechnende Einkommen fast vollständig auf. Dem Kläger oblag es allerdings nicht, durch die zeitliche Ausweitung seiner Beschäftigung oder durch die Aufnahme einer anderen oder weiteren Beschäftigung ein höheres Erwerbseinkommen zu erzielen, durch das er die Versicherungsbeiträge vollständig hätte abdecken können. Der Kläger oblag während der Durchführung des Asylverfahrens keiner generellen Pflicht, seinen Bedarf nach dem AsylbLG vorrangig durch Erwerbsarbeit zu decken.
Im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II sowie im Bereich der Hilfe zum Lebensunterhalt bzw. der Grundsicherung nach dem SGB XII hat der Gesetzgeber ausdrücklich Anspruchsgrundlagen geschaffen, die unvermeidbare Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Kranken- und zur Pflegeversicherung als gesonderten Bedarf berücksichtigen (§ 26 SGB II bzw. §§ 32, 32a SGB XII). Im Grundsicherungsrecht nach dem SGB II und SGB XII wird also ein dahingehender Bedarf vollständig gedeckt, obwohl auch einem Leistungsbezieher nach dem SGB II bzw. SGB XII aufgrund § 16 Abs. 3a Satz 3, Satz 5 SGB V bei Nichtzahlung der Beiträge keine Einschränkung des Versicherungsschutzes drohen würde. Die entsprechenden Leistungen nach dem SGB II bzw. SGB XII dienen also nicht dem Zweck, den Versicherungsschutz und damit eine angemessene medizinische Versorgung der Betroffenen aufrechtzuerhalten, sondern der Auflösung des Dilemmas, dem sich Leistungsbezieher nach dem SGB II und SGB XII ausgesetzt sehen würden, wenn die Leistungsträger nach dem SGB II und SGB XII diesen Bedarf nicht decken würden: Nämlich entweder die Versicherungsbeiträge aus der Regelleistung aufzubringen und sich dafür anderweitig empfindlich einzuschränken (vgl. Bittner in: Schlegel/Voelzke, juris PraxisKommentar SGB II, 5. Aufl., Stand: 24.10.2023, § 26 Rn. 34), oder aber Schulden auflaufen zu lassen, die auch – insbesondere relevant im Bereich des SGB II – dem (Wieder)einstieg ins Arbeitsleben im Wege stehen könnten. Dieses Dilemma offenbart die unmittelbare Grundrechtsrelevanz des hier geltend gemachten Bedarfs. Es berührt die Aufrechterhaltung des grundrechtlich geschützten Existenzminimums in ihrem Kern (Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz – GG – i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG) (vgl. Pfriender in: Schlegel/Voelzke, juris PraxisKommentar SGB XII, 4. Aufl., Stand: 01.05.2024, § 32 Rn. 24).
Dieses Dilemma entspricht exakt dem des Klägers im hier anhängigen Verfahren. Auch der Kläger sah sich im streitbefangenen Zeitraum zur Entscheidung gezwungen, entweder Rückstände als Schulden auflaufen zu lassen oder aber Teile seiner Asylbewerberleistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG, die – wie oben dargelegt - für andere existenzsichernde Ausgaben vorgesehen waren, für die Bestreitung der Versicherungsbeiträge einzusetzen und sich daher im Hinblick auf andere existenzielle Bedürfnisse empfindlich einzuschränken. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Situation für einen Bezieher von Leistungen nach dem AsylbLG als zumutbar geltend sollte, für Leistungsbezieher nach dem SGB II bzw. SGB XII aber nicht, zumal wenn – wie sich hier im weiteren Verlauf herausgestellt hat – dem Asylbewerber eine dauerhafte Bleibeperspektive offensteht und das Ende des Aufenthalts in der Bundesrepublik nicht bevorsteht oder abzusehen ist.
Im Gegenteil ist das Dilemma des Klägers umso dringlicher, als die von ihm bezogenen Grundleistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG der Höhe nach unter den Sätzen des SGB II und SGB XII liegen und der Kläger sich daher, soweit er die Versicherungsbeiträge aus den Grundleistungen aufbrachte, sogar noch größeren Einschränkungen in anderer Hinsicht unterwerfen musste als bei einem Leistungsbezug auf dem Niveau von SGB II bzw. SGB XII. Wenn der Kläger nicht zusätzlich einer Erwerbtätigkeit nachgehen würde – wozu er nicht verpflichtet ist – würden die Versicherungsbeiträge die monatlichen Leistungen nach §§ 3 Abs. 1 Satz 2, 3a Abs. 2 AsylbLG (notwendiger persönlicher Bedarf) fast vollständig aufzehren.
Das Gericht geht auch davon aus, dass im vorliegenden Fall das dem Beklagten nach § 6 AsylbLG grundsätzlich eingeräumte Ermessen „auf Null“ reduziert ist, so dass die Versicherungsbeiträge als Bedarf zu berücksichtigen waren und der Beklagte hierüber nicht nur unter Beachtung aller relevanten Ermessenserwägungen zu entscheiden hatte; denn es ist nicht ersichtlich, welche Erwägungen im Einzelfall dazu führen könnten, trotz der laufenden empfindlichen Bedarfsunterdeckung des Klägers die Versicherungsbeiträge nicht in die Bedarfsberechnung einzubeziehen.
Da die Versicherungsbeiträge in Geld zu entrichten sind und daher eine Sachleistung zur Bedarfsdeckung nicht geeignet ist, liegen besondere Umstände vor, bei denen die Leistung des Beklagten in Geld zu erbringen ist (§ 6 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG).
Die Bedarfsdeckung hat in der Art und Weise zu erfolgen, dass – in den Monaten, in denen der Kläger tatsächlich Erwerbseinkommen erzielte – zunächst die Versicherungsbeiträge vom grundsätzlich anzurechnenden Einkommen, d. h. nach der Absetzung des Freibetrags nach § 7 Abs. 3 AsylbLG sowie der Arbeitsmittelpauschale, abzuziehen sind. Verbleibt dann ein ungedeckter Betrag, ist dieser zusätzlich zu den Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG als Bedarf nach § 6 AsylbLG zu gewähren. Die genaue Berechnung obliegt dem Beklagten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Die Berufung war nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, obwohl der Wert des Beschwerdegegenstandes voraussichtlich 750,00 € nicht erreicht (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Frage, ob die Beiträge zur obligatorischen Anschlussversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung und Pflegeversicherung im Rahmen laufender Leistungen nach dem AsylbLG anspruchserhöhend zu berücksichtigen sind, ist bisher in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung – soweit ersichtlich – nicht geklärt, dürfte aber eine Mehrzahl von Fällen betreffen.